17. »Des Fichtelgebirg isch scho was Tolles!«

Bohlenweg mit Blick auf den Fichtelsee
Fichtelsee (wunderschön!)

Fichtelsee


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Den kompletten Verlauf des Jean-Paul-Wegs finden Sie hier: Literaturportal Bayern

Schlaflos in Nagel

Montag, 20. August 2012.  Heute wieder keine Wanderung. Die erste Nacht in Nagel war schon mal gleich schlecht. Ich sage nur: Kirchturmuhr. Erst jetzt bemerken wir, dass wir in unmittelbarer Nähe einer Kirche wohnen. Wie konnten wir das nur übersehen? Ich könnte mir in den Hintern beißen! Mit dem Einschlafen habe ich doch riesige Probleme. So viele Nächte, in denen ich gar nicht schlafe – nicht eine Minute. Nächte, in denen ich ununterbrochen wach liege. Den letzten Rest gibt mir dann noch eine Kirchturmuhr, die viertelstündlich schlägt, wie zu Hause in Hollfeld. 

 

Jetzt also auch hier! Jede Viertelstunde ertönt der Schlag, und ich muss innerlich mitzählen. Dann bin ich wieder hellwach. Ich werde noch wahn­sinnig. Als der Vermieter uns am Morgen freundlich fragt, wie wir die erste Nacht verbracht hätten, erzählt Peter ihm von der Kirchturmuhr. Dem Vermieter ist das unangenehm. Er bietet uns Ohropax an. Aber die Dinger helfen mir nicht – ich höre trotzdem jedes noch so leise Geräusch. Ich verstehe nicht, warum lärmgeplagte Menschen heute immer noch die ganze Nacht über mit Glockenschlägen malträtiert werden müssen. Wen interessiert es, wenn es frühmorgens Viertel nach vier ist? In Hollfeld habe ich schon einmal versucht, etwas gegen die Turmuhr zu unternehmen, aber die Verantwortlichen dort sind auf diesem Ohr völlig taub. Na dann.

 

Ich habe nichts gegen das Morgen-, Mittag- und Abendgeläut, das Sterbegeläut oder andere kirchliche Glocken. Im Gegenteil – ich mag es, weil es unser Leben begleitet. Aber wenn ich über mehrere Nächte hinweg keinen Schlaf finde, geht mir die Energie aus, und ich falle in ein tiefes Loch. Doch ich höre jetzt mit dem Thema auf, weil es mich selbst nervt.

Wir gehen baden

Es ist immer noch sehr heiß. Wir sagen uns: Schluss mit Wanderurlaub – jetzt machen wir Badeurlaub. Wo? Natürlich am Fichtelsee. Da fahren wir hin, und ich habe keine Badesachen mit. Mist! Am See finden wir bald ein schattiges Plätzchen am waldigen Ufer, ganz in der Nähe »unseres« Waldhotels mit Seeterrasse. Dort können wir uns bei Bedarf fuß­läufig mit Essen und Trinken versorgen. Peter setzt sich ans Ufer und lässt seine Beine im Wasser baumeln. Es ist angenehm warm – gar nicht so eiskalt, wie man es sonst von Bergseen kennt. Im Fichtelgebirge hat das Wasser in den Seen und Bächen eine leicht bräun­liche Färbung. Man könnte meinen, es sei schmutzig oder irgendwie unappetitlich. Aber das täuscht. Die Farbe kommt von der umliegenden Moorlandschaft. Das Wasser selbst ist glasklar und sehr sauber.

Es dauert nicht lange, dann schläft Fidel auf unserer Decke wie ein Murmel­tier – und wir tauchen ein in die Freuden dieses Naturfreibads. Ganz großes Theater – jetzt der erste Aufzug.

Ganz großes Theater

»Oma, guck mal!«, ruft ein Junge, der auf einen kleinen Felsen geklettert ist. Heute, am Montag – in Bayern sind Ende August ja noch Ferien – scheinen alle Omas und Opas mit ihren Enkeln baden zu gehen. Jetzt winkt er ganz aufgeregt. Die Oma dann zum anderen Enkel: »Guck mal Emil, wie der Jonathan ins Wasser springt!« Plumps. Und Opa springt gleich hinterher. Schon schwim­men sie an uns vorbei.

 

Der Duft von Gegrilltem weht zu uns herüber. Andere haben zwischen den Bäumen eine Hängematte aufgehängt – dafür ist das Wäldchenufer ideal. Und ein Bollerwagen macht das Heranschleppen all dieser Freizeitutensilien möglich.

 

Ein wenig später kreuzen zwei Tretboote gemächlich vor unserem Ufer. Hatschet, hatschet, hatschet … ziehen die kleinen Schaufelräder durchs Wasser. Das erste Tretboot – mit Opa und Enkelsohn. Dann das zweite – diesmal mit Opa mit Enkeltochter.

 

Derweil braut sich jetzt, mitten auf dem See, eine regelrechte Tretboot-Schlacht zusammen. Zwei mit Jugendlichen voll besetzte Boote steuern aufeinander zu – eines liegt verdächtig tief im Wasser. Es wird von Boot zu Boot gespritzt, Gekreische schallt über den See, immer mehr Boote gesellen sich hinzu, drei Entchen paddeln seelenruhig dazwischen. Unsere Deckennachbarn verfolgen jetzt auch das Spektakel mit Spannung.

 

Unerwarteterweise löst sich das Bootgemenge plötzlich wieder auf. Zwei Schlauchboot-Kajaks umkreisen das noch wellige Schlachtfeld. Eines scheint irgendwie nicht richtig aufgepumpt oder es verliert langsam Luft. Der Kanut sitzt nun dermaßen tief gebückt im Boot, dass Peter bemerkt:

»Der muss sich doch speien, wenn er am anderen Ufer ankommt, so wie der drin hockt.« 

 

Die Tretbootflotten haben sich wieder vereint und singen gemeinsam: »Jetzt fahrn wir übern See, übern See. Jetzt fahrn wir übern See! …«

 

Hinter uns, auf dem Waldweg, latscht eine Familie zur Seeterrasse. »Ich würde schon ein Eis essen, wenn der Papa uns einlädt«, höre ich das Kind plappern. Auch keine schlechte Strategie.

 

Nahebei fachsimpeln zwei Väter im tiefsten Sächsisch über ihre Arbeit – aber inhaltlich kann ich leider nichts verstehen.

Auf dem großen Felsen neben uns macht sich eine Horde halbstarker Jungs breit. Klar, die brauchen prominente Balzplätze. Aber wo sind nur die Mädchen? Noch keine in Sicht. Ist gerade Flaute.

 

Jetzt ein Tretboot mit Familie. Hier übernehmen die Kinder für ihre Eltern den Fahrdienst, aber die Kinderbeinchen sind noch so kurz, dass sie kaum an die Pedale reichen. Zudem hebt sich das Boot, durch das größere Gewicht der hintensitzenden Eltern, vorne so in die Höhe, dass die Schaufelräder fast kein Wasser berühren. Sie kommen kaum vom Fleck, aber die Eltern sind begeistert.

 

Die Horde Jungs verzieht sich wieder – der Felsen war ihnen zu heiß geworden.

Am gegenüberliegenden Ufer macht jemand einen Handstand im See – gar nicht schlecht, denn die Beine ragen gefühlt ewig über das Wasser, während der komplette Oberkörper samt Kopf untergetaucht bleibt.

 

»Vaddi, hast du mahn Brotmesser?« Bei den Sachsen gibt es Melone.

 

Zwei Schwimmerinnen unterhalten sich im Wasser. Man versteht sie bis ans Ufer.

»Ich hab jetzt mein Gewicht so schön halten können. Da wurde ich aber vier-, fünfmal zum Grillen eingeladen – da hatte ich gleich wieder zwei Kilo drauf.«

Peter erklärt mir das Phänomen des »lauten« Tons:

»Das hat was mit der Reflexionsfläche des Wassers zu tun. Das funktioniert wie ein Grenzflächenmikrofon.« 

»Aha.«

 

Bei der Horde Jungs sind jetzt doch Mädchen aufgetaucht. Man geht ins Wasser.

Einer ruft: »Hier ist es tief!«

Der andere: »Lass mich raten – ein Meter zwanzig?«

Sie spielen Wasserball. Die ganze Horde gegen ein Mädchen. Die Jungs werfen die Bälle extra weit an ihr vorbei. Zunächst schwimmt sie noch dem Ball hinterher, dann schießt sie ihn scharf zurück und ruft:

»Die nächsten baller isch eusch auch weg!« Und trifft einen der Jungs direkt auf den Kopf.

»Au, der ging auf die Zwölf!«

Ein zweites Mädchen sitzt am Ufer:

»Ist sehr unterhaltsam, eusch zuzugucken!«

Das Mädchen im Wasser feuert die Bälle immer noch ganz ordentlich zurück, dann haben die Jungs keinen Bock mehr und lassen den Ball weg­treiben.

Das Mädchen am Ufer zu einem der Flüchtenden:

»Kannst du überhaupt schwimmen?«

»Klar, ich hab sogar das Seepferdchen.«

»Das hammsem wieder abgenommen, als er dreimal abgesoffen ist!«, kommentiert einer aus der Horde.

 

Ach, das ist so schön. Nur nicht aufhören!

 

Die Sonne wandert, und aus unserem Schattenufer wird langsam ein Son­nenufer. Wir ziehen um, nur ein paar Meter weiter.

Kurz darauf setzt sich eine Familie auf unseren alten Platz – mit den Söhnen Felix und Jean Paul. Ich lüge nicht: Er heißt tatsächlich so! Und Jean Paul liest jetzt tatsächlich ein Buch! Ich vermute, es sind Städter, weil sie sich sehr gewählt aus­drücken. Felix will nicht ins Wasser. Es ist ihm zu braun.

»Vielleicht kommt das vom Hundekot«, mutmaßt er wohl, weil er unseren Fidel sieht.

Ich sage nichts. Dann geht die Mutter mit Felix zum flachen Kinder-Planschbereich, der nicht weit entfernt ist. Jean Paul unterhält sich währenddessen mit seinem Vater über Literatur. Ich verstehe nur Satzfetzen wie »Romane herausgeben« und »in Druck gehen«. Papa liest dann auch.

 

Der Nachmittag geht zur Neige. Die Ferienkulisse schiebt sich langsam hinter die Bühne. Ende des ersten Aktes. Pause.

 

»Peter, was hältst du von einem Spaziergang um den See?«

Bohlenweg am Fichtelsee
Bohlenweg am Fichtelsee

Zunächst gelangen wir auf einen richtigen »Bretterweg«, denn wir be­finden uns hier auf einem Hochmoor. Wie spannend, denke ich. Rechts und links des Weges erkennt man braune, moorige Tümpel, Gras und Heide, kleine Nadelbäume. Auf einem Warmschild steht, dass man den Holzweg nicht verlassen darf. Würde man dann jämmerlich untergehen? Ich male es  mir angenehm schaurig aus.

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Den Bohlenweg durchs Moor darf man nicht verlassen!
Den Bohlenweg durchs Moor darf man nicht verlassen!

Oh, dieser Weg aus Holz – richtigerweise nennt man ihn »Bohlenweg« – macht mir Laune. Er gibt mir das Gefühl, durch gefährlichstes Gebiet zu laufen, und dass wir als Fußgänger nur hier – auf diesem Weg – sicher sind. Das fühlt sich an wie ein Abenteuer, obwohl gar keines stattfindet. Egal, ich mag das.

Schauriges Moor

Wir laufen hier auf dem Fichtelseemoor. Es ist das größte zusammen­hängende und besterhaltene Moorgebiet Oberfrankens, das in früheren Zeiten noch viel größer war. An manchen Stellen ist es sechs Meter tief.

 

Wie man sich das Moor zu Jean Pauls Zeiten vorstellen kann, beschreibt uns Th. Helfrecht. Wir lesen es hier auf der 11. Tafel »Landschaft zu Jean Pauls Zeiten«.

Sagenhafter Fichtelsee

 

»Jetzt ist der ganze sumpfige Platz, welcher über eine viertel Meile lang und an manchen Stellen fast so breit ist bis auf einen kleinen Raum von 80 Schritten im Umkreise, auf welchem aber auch selbst weicher Rasen, Binsen und andere Wassergewächsen sich ansetzen, mit Fichtenanfluge, Bayreuther, mit einem Wagen und zween Ochsen nicht weit vom offenen Platze in den Wald hinüber zu fahren … Für Fußgänger sind Stangen hinüber gelegt. Weil einige Stellen noch unergründlichen Sumpf haben.«

J. Th. B. Helfrecht, um 1800

 

Ein Motiv, das auch Jean Paul verwendet hat.

Moore sind sehr alt! Geht man davon aus, dass die Torfmoose nur einen Millimeter im Jahr wachsen, kann man annehmen, dass das Moor hier mindestens 8 000 Jahre alt ist. Vermutlich ist es sogar auf die letzte Eiszeit vor circa 12 000 Jahren zurückzuführen. Was Jahrtausende brauchte, um zu wachsen, wurde dann innerhalb weniger Jahre zerstört.

 

Das war auch beim Fichtelseemoor so – zumindest zum Teil. Um 1650 wurden Gräben gegraben, die Wasser vom Moor in den Ort Fichtelberg leiteten. Dort brauchte man das Wasser, um große Hämmer in Eisenwerken anzutreiben. Dadurch wurde das Moor langsam trockener. Zusätzlich stachen die Menschen Torf aus dem Moor, den sie zum Heizen nutzten. Auch das ließ das Moor schrumpfen.

 

Aber schon 1739 versuchte man, diesen Schaden zu stoppen. Man baute einen künstlichen Weiher, um Wasser im Moor zu halten. Aus diesem Stauweiher entstand später der heutige Fichtelsee – zwischen Ochsenkopf und Schneeberg gelegen, eingebettet in die Kaltluftsenken des Fichtelgebirges, umgeben von dem hier so typischen Fichtenwald.

Der Fichtelsee, zwischen dem Schneeberg und dem Ochsenkopf gelegen
Der Fichtelsee, zwischen dem Schneeberg und dem Ochsenkopf gelegen

Und man hörte auch nicht auf, das wertvolle Fichtelseemoor zu retten. Die Ent­wässerungsgräben wurden geschlossen, und der noch unversehrte Teil des Moors wurde 1939 unter Naturschutz gestellt. Heute ist das Moor und seine Umgebung ein Naturwaldreservat. Kein Baum darf gefällt werden, die Natur bleibt sich selbst überlassen. Und tatsächlich, es entwickelt sich langsam eine neue Moorlandschaft, vor allem am nördlichen Ende des Sees, der sogenannten »Seelohe«.

Der »Schwingrasen« kommt wieder zurück – das sind Pflanzenteppiche, die sich ohne festen Untergrund nur an der Wasseroberfläche bilden. Sie sind sehr trittemp­findlich und nicht tragfähig! Deshalb dürfen sie auf keinen Fall betreten werden! Deshalb der Bohlenweg – nur dort darf man gehen.

 

Und überhaupt, hier leben seltene und bedrohte Tiere und Pflanzen. Wie zum Beispiel »Torfmoose«. Sie speichern enorme Wassermengen – und wie ge­sagt, sie wachsen nur ein Millimeter pro Jahr. Oder die Pflanze »Sonnentau«, sie frisst Insekten und kann so im lebensfeindlichen sauren Wasser und Boden überleben. Oder der »Fichtenkreuzschnabel« (www.deutsche-vogelstimmen.de/fichtenkreuzschnabel), der mit seinem gekreuzten Schna­bel die Samen aus den Fichtenzapfen picken kann. Oder die so selten gewor­denen »Kreuzottern«. Und die »Moor-Spirken«, die mit den Latschenkiefern verwandt und typisch für süddeutsche Moore sind. Sogar Biber wurden wie­der gesehen. Auch heißt es, dass ein elbisches Wesen, das »Moosweib«, zwischen Uferfichten und moosschwarzem Gehölz umherwandeln soll.

 

Das Moor – nicht Wasser, nicht Land, nicht See, nicht Wald. Schaurige Zwischenwelt. Lebensraum sonderlicher Wesen und nächtlicher Fallensteller. Verführerische Moosteppiche, die einen in die tödliche Tiefe ziehen und ihre Geheimnisse auf ewig verbergen. Ein Kosmos, nebelumhangen, voll dunklem Geächz, Gesumm, Geknister, Gerausche, Donnergrollen und Stöhnen.

 

Die Sonne sinkt zum Horizont. Wiesen und Waldränder schimmern seeblau­grün. Die Luft ist lau und still. Langsam durstig streifen wir den Jean-Paul-Brunnen und Stationstafel 69.

Der Jean-Paul-Brunnen am Fichtelsee
Der Jean-Paul-Brunnen am Fichtelsee

Über den Fichtelsee

 

– – Gegenwärtig trägt man das Einbein (mich) über den Fichtelsee und über zwei Stangen, die statt einer Brücke über diese bemooste Wüste bringen. Zwei Fehltritte der Gondelierer, die mich aufgeladen, versenken, wenn sie geschehen, einen Mann in den Fichtelsumpf. […] Berge über Berge werden jetzo wie Götter aus der Erde steigen, die Gebirge werden ihre Arme länger ausstrecken und die Erde wird wie eine Sonne aufgehen und dann wird ihre weiten Strahlen ein Menschen-Blick verknüpfen und meine Seele wird unter ihrem Brennpunkt glühen.

– – In diesen Gegenden ist alles still, wie in erhabnen Menschen. Aber tiefer, in den Tälern, nahe an den Gräbern der Menschen steht der schwere Dunstkreis der Erde auf der einsinkenden Brust, zu ihnen nieder schleichen Wolken mit großen Tropfen und Blitzen, und drunten wohnt der Seufzer und der Schweiß. Ich komme auch wieder hinunter, und ich sehne mich zugleich hinab und hinauf.

Jean Paul »Die unsichtbare Loge«

Vorredner

Auf dem Jean-Paul-Weg am Fichtelsee – Stationstafel 69 »Über den Fichtelsee«
Auf dem Jean-Paul-Weg am Fichtelsee – Stationstafel 69 »Über den Fichtelsee«

Hier soll der Mensch so wenig wie möglich stören. Man darf nicht vom Wege abkommen, nichts pflücken, nicht zelten, kein Feuer machen und keinen Müll hinterlassen. Aber schauen, promenieren, sich freuen, baden, Bootchen fahren, Späße machen, Schlittschuh laufen, Feste feiern – das ganze Jahr hindurch. Im Sommer das Sommerfest, im Winter die Waldweihnacht. Es gibt Liegewiesen rundherum, Kinderspielplätze und Sportflächen. Alles da. Ja, sogar Hunde dürfen dabei sein.

 

Der Fichtelsee ist heute fast elf Hektar groß, ein Naturweiher, und an manchen Stellen sechzehn Meter tief. Das Wasser ist wegen des Moores sehr sauer und sorgt so für eine hohe Selbstreinigungskraft. Deshalb kommt das »Moorbad« ohne chemische Zusätze aus und ist sehr gesund. Nur – es ist ein wenig braun.

 

Wir spazieren langsam. Am Ende des Moorweges, direkt am Seeufer, sitzt eine Familie aus Schwaben auf einer Bank. Sie genießen die Ruhe. Im Vorbeigehen höre ich den Vater sagen: »Des Fichtelgebirg isch scho was Tolles!«

Abendstimmung am Fichtelsee
Abendstimmung am Fichtelsee

Ja, das haben auch wir entdeckt. Auf dieser Wanderung gab es bisher schon viele abenteuerliche Stationen: Felsen, Quellen, Seen und Moore. Familien, die mit ihren Kindern Ferien machen und wandern wollen – im Fichtelgebirg’ kann man das vorzüglich. Als Kind hätte mir das alles sehr gefallen.

 

 

 

PS:

Noch mehr Bohlenwege gibt es bei der nächsten Etappe.

 

PPS: 

Die Magie der Moore im Film.

Jetzt schäme ich mich fast schon ein wenig, das Kapitel »Moor« so kurz abgehandelt zu haben. Wie der Zufall es will, wurde gestern Abend auf arte die Kino-Dokumentation »Magie der Moore« von Jan Haft gezeigt. 

Die Gesamtdauer des Films beträgt 91 Minuten. Ein wunderschönes, poetisches Werk, einfühlsam erzählt von Axel Milberg. Fünf Jahre Drehzeit, 500 Drehtage, 80 Drehorte. Man staunt und wird demütig.

 

So viel Fülle, Vollendung, Anmut und Sensibilität, an der wir nach unserem satten Badetag nur vorbeiliefen. Gewiss, vom Bohlenweg aus lässt sich diese Welt so leicht nicht erahnen. Zum Beispiel den insektenfressenden »Sonnentau«. Googeln Sie »Sonnentau-Bilder«. Wunderschön! Wie seine leuchtend roten und klebrigen, wie mit Zuckerwasser besprenkelten Tentakel in der Sonne glitzern, sich bewegen, tänzeln und so Insekten in die Falle locken. Nur ein Insekt – der Schmetterling mit dem zauberhaften Namen »Federgeistchen« – kann sich dem Sonnentau erwehren. Seine Raupe lebt sogar vom Sonnentau und frisst dessen klebrige Tentakel. Oder den Balztanz der Kreuzottern. Oder die ewig wachsenden »Moossprosse« und das Zersprengen ihrer Sporenkapseln. Oder das Dungmoos mit seinen gelben Schirmchen.

 

Was für ein in unendlichen Facetten bunt schimmerndes Kaleidoskop von Kleinst­lebewesen. Erst durch die Kamera werden sie für uns sichtbar. Es macht mich ganz still – und wieder einmal denken, wie unendlich nichtig ist doch dagegen der Mensch.

 

PPPS:

Um den Klimawandel zu stoppen, brauchen wir die Moore dringendst! Sie sind der größte CO2-Speicher – größer als jedes andere Ökosystem auf der Erde. Moore bedecken heute nur noch drei Prozent der Landfläche, aber in ihnen sind dreißig Prozent des CO2 dauerhaft gespeichert.

 

Deshalb: Kaufen Sie bitte keinen Torf, liebe Leserinnen und Leser. Auch nicht in der Pflanzenerde. Jeder Beitrag zählt, um diese einzigartigen Lebensräume zu schützen.

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